Antonio Calderara
Katalog 5 der Kestner-Gesellschaft, Hannover 1968

Albert Schulze Vellinghausen (1965)


Zur Ausstellung Antonio Calderara


Man muss das strahlende Licht der umbrischen Huegel, die hellen Nebel der Lombardei, die langen, leuchtenden Schatten der Kueste Venetiens im Gedaechtnis haben, um die autonome Malerei Antonio Calderaras, ihre kostbare Unbedingtheit, ihre eigensinnige Verschlossenheit irgendwo in dieser unserer Gegenwart zu situieren. Was dem Nordlaender sogleich auffaellt (im Vergleich mit Josef Albers, Barnett Newman, Richard P. Lohse, auch noch dem unseligen Yves klein), ist die unendliche Kultiviertheit des Farbauftrages. Es ist nicht die pate der Ecole de Paris, nicht die harte Systematik der Germanen und Angelsachsen, nicht die surreale Magie eines monochromen Programms. Es scheint eher das natürliche, gewachsene, mit Fleiss und Klugheit erworbene Resultat von zweitausend, ja, dreitausend Jahren mittelmeerischer Tradition des Malens (beginnend in den Grabkammern der Etrusker, gepflegt in den Fresken von Pompeji und Herculaneum): die Helligkeit eines Tones ist immer gesaettigt, die Transparenz ist nie waesserig, die dunkelste Stufe einer Kadenz niemals stumpf, sondern immer leuchtend.

Was andern seiner malenden Kollegen zum schlimmen Schicksal wird - der Ringkampf mit den Zentnerlasten einer nie unterbrochenen Historie -, fuer Antonio Calderara wird es, dank einem Akt erkennender Klarheit, zur Chance besonderen Gelingens: er bringt diese reiche, allzu reiche Fracht ein in ein Kraftfeld des Verzichtes. Verzicht auf gefaellige Komposition; Verzicht auf modische Reize des Machens; Verzicht auf Überdimensionierte Formate: diese Kunst des Verzichtens laesst ihn die kargste und sproedeste Thematik waehlen. Nun darf das so lastende Erbe erstrahlen im Dienst an wohlikalkulierter Schlichtheit. Das Einfachste ist ihm wichtig genug. Drei Werte ein und derselben Farbe, planimetrisch gegeneinandergesetzt - ein so ruhiger, stiller, massvoller Inhalt verwandelt sich ihm in ein Dokument von Groesse. Es ist Hoheit, Weite, unendliche Tiefe wie auf Pieros Bildnis der Montefeltres.